In den vergangenen 25 Jahren wurde mir sehr oft sinngemäß oder sogar wörtlich die folgende Frage gestellt: „Darf der das, kann mich mein Dienstherr, kann mich die Behörde einfach so umsetzen, abordnen oder versetzen – sogar gegen meinen Willen?“
Während die Versetzung meinen Mandantinnen und Mandanten zumeist als dienstliche Maßnahme gut bekannt ist, sind die Umsetzung und die Abordnung und ihre tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Betroffenen nicht selten überraschend und mit einem Gefühl der Hilflosigkeit verbunden. Denn zu diesen dienstlichen Maßnahmen greift der Dienstherr gern im Streitfall oder zur Beseitigung einer Störung des Dienstverhältnisses oder der betrieblichen Abläufe. Und in der Tat können die Schritte auch gegen den Willen der betroffenen Beamtinnen und Beamten und ohne erhebliche Mitwirkung der Personalvertretung recht zügig eingeleitet werden.
Eine Versetzung bedeutet die dauerhafte Übertragung eines anderen Amtes, also anderer dienstlicher Aufgaben bei demselben oder auch einem anderen Dienstherrn, aber auch die Anhörung der Betroffenen und die Feststellung ihrer Interessen sowie die Mitwirkung und Beteiligung der Personalvertretung, Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten – ein vergleichsweise umfangreicheres Verfahren. Gleichwohl kann der Dienstherr seine verbeamteten Dienstkräfte im Fall eines dienstlichen Bedürfnisses recht schnell von A nach B umsetzen und für einen begrenzten Zeitraum von regelmäßig sechs bis 24 Monaten abordnen, also von der abgebenden Dienststelle an eine aufnehmende Dienststelle ausleihen, solange er dabei die Besoldung (das Gehalt) der Betroffenen nicht erheblich antastet.
Umsetzungen und Abordnungen ohne Einvernehmen der Betroffenen wirken zumeist willkürlich und seltsam bevormundend und fremd in einem vermeintlich aufgeklärten Staat wie der Bundesrepublik Deutschland. Sie sind jedoch Ausdruck eines überlieferten Beamtenrechts, das wegen der versprochenen Sicherheit und Versorgung im Anschluss an die aktive Diensttätigkeit für viele Menschen noch immer sehr attraktiv wirkt.
Das Beamtentum ist wohl mehr als fünftausend Jahre alt und geht zurück auf den Beginn und die Entwicklung des Staatswesens. Im Alten Ägypten, den orientalischen Staaten und Indien des Altertums, im Kaiserreich China und im Römischen Reich gab es bereits Beamte. Sie waren einem absoluten Herrscher verpflichtet, der sich im Gegenzug für deren unbedingte Treue verpflichtete, für ihren lebenslangen Unterhalt zu sorgen.
Soviel umspannendes Brauchtum wirkt bis heute nach. Dies merkt früher oder später, wer es anstrebt und erreicht, in ein Beamtenverhältnis berufen zu werden. Herrschaft und Hierarchie, leider häufig anstelle von Wertschätzung und fairen Umgangsformen, prägen nach den althergebrachten Grundsätzen auch das Berufsbeamtentum der Bunderepublik Deutschland. Die seit Jahrtausenden geltenden Grundsätze sind in Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) verankert, also Teil einer Verfassung, die mit den individuellen Grundrechten gegenüber dem Staat beginnt. In den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder sind zunächst die Pflichten der Beamten und Beamtinnen geregelt, danach finden sich auch ein paar Rechte. Wer meint, von seinem oder ihrem Dienstherrn auf Händen getragen zu werden, wird bitter enttäuscht werden. Wohl auch aus diesem Grund ist der Krankenstand im öffentlichen Dienst am höchsten, der Eintritt in den Vorruhestand nicht selten, und am Ende der Dienstpflicht lockt eine vergleichsweise üppige Versorgung als eine Art Schmerzensgeld.
Meine Mandantinnen und Mandanten sind daher manchmal etwas angefasst, wenn sie plötzlich umgesetzt und abgeordnet und darauf hingewiesen werden, sich ganz überwiegend bewusst für das Berufsbeamtentum entschieden und einen Teil ihrer Freiheit für ein relativ höheres Maß an Sicherheit eingetauscht zu haben. Ob eine Abordnung oder Umsetzung allerdings rechtmäßig ist, kann durchaus strittig sein. Schutzlos sind Beamte und Beamtinnen auf keinen Fall – auch sie sind Grundrechtsträger und -trägerinnen. Und so lautetet dann meine Antwort auf die häufig gestellte Frage „Darf mein Dienstherr das?“:
Vertrauen Sie sich bei Unsicherheiten meiner Kanzlei an und lassen Sie Ihre Rechtsschutzmöglichkeiten prüfen.
Rechtsanwalt Jens Koehn, Fachanwaltskanzlei für Verwaltungsrecht, Berlin